Fachliche Vorbereitung: Fit werden für den Studienalltag

Jwan Alothman schreibt an einem Aufsatz zum Thema „Ich in zehn Jahren“. Er reicht das Blatt seinem Freund Felix Kunkel herüber, der gerade Statistik lernt. „Ja, das passt“, sagt der Bachelorstudent. Er gibt noch ein paar sprachliche Tipps und wendet sich wieder seinen eigenen Aufgaben zu. Die beiden Freunde nutzen die Ruhe und lernen gemeinsam in der Bibliothek der Westfälischen Hochschule (WH) Gelsenkirchen für Klausuren.

„Zusammen macht das einfach mehr Spaß“, sagt Felix, der im fünften Semester Wirtschaftswissenschaften studiert. Jwan kam erst vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland und ist einer von 32 Teilnehmern des Vorstudienprogramms International Talents@WH for Refugees, das die Westfälische Hochschule an ihren Standorten Gelsenkirchen und Bocholt anbietet. Während Felix Formeln lernt, büffelt Jwan für die nächste Deutschprüfung.

Möglichst frühe fachliche Vorbereitung und der direkte Austausch unter den Studierenden sind Schwerpunkte der Initiative, mit der die Fachhochschule Flüchtlinge im Rahmen des Landesprogramms NRWege auf ein Studium in Deutschland vorbereitet. Ein wichtiger Teil ist auch die Vermittlung von Sprachkenntnissen bis hin zum Niveau C1 in Vollzeitkursen. An der Westfälischen Hochschule lernen Flüchtlinge in internationalen Klassen gemeinsam mit Studierenden von Partneruniversitäten in Indien und Vietnam. „Wir machen sehr gute Erfahrungen damit, denn beide Gruppen sind in einer fremden Kultur und müssen sich auf viele neue Dinge einstellen“, beobachtet Nadine Hackmann, Leiterin des International Office (IO). „Sie lernen voneinander, auch im Sprachlichen. Die einen sprechen schon sehr gut Deutsch, andere sind im Schriftlichen stark – sie bringen sich gegenseitig Strategien bei, wie man beim Lernen vorgehen kann.“

Einen reibungslosen Übergang schaffen

Die Alltagssprache lasse sich in der Regel gut erlernen, beobachtet Nadine Hackmann. „Der Schock kommt dann, wenn sie als Studierende in der ersten Vorlesung sitzen und die fachlichen Begriffe nicht verstehen.“ Neben dem Sprachunterricht besuchen die Geflüchteten daher ein Tutorium, das sich „Fit for Studies“ nennt. Ziel ist es, den Teilnehmern einen guten und möglichst reibungslosen Übergang in ein meist anderes Lehr- und Lernsystem zu schaffen. Sie erfahren, was an einer deutschen Hochschule von den Studierenden erwartet wird, eigenes
Engagement beispielsweise, was unter Lernen verstanden wird und wie sich im Alltag Prioritäten setzen lassen. Die Kurse halten Studierende wie Felix Kunkel, die sich engagieren wollen und zu Tutoren ausgebildet werden. Ein Unterricht auf Augenhöhe, aus dem sich Freundschaften entwickeln können wie die zwischen Felix und Jwan. „Manchmal sind es Kleinigkeiten, die für Menschen aus anderen Kulturen verwirrend sind“, erklärt er. Zwei Stunden pro Woche greift der Student Themen aus dem Studienalltag auf. „Schlüsselkompetenzen und Lerntechniken gehören ebenso dazu wie Fachbegriffe, die später im Studium wichtig werden.“

Mathematik spielt zum Beispiel an der Westfälischen Hochschule in allen Fächern eine große Rolle, in der Bionik ebenso wie im Maschinenbau. „Als Fachhochschule erwarten wir von Studierenden, dass sie anwendungsorientiert arbeiten und Gelerntes sofort in der Projektarbeit umsetzen“, sagt IO-Leiterin Hackmann. „Das ist anspruchsvoll.“ Deshalb motiviert ihr Team Flüchtlinge auch im Vorstudium dazu, an regulären Veranstaltungen teilzunehmen und in Vorlesungen zumindest hineinzuschnuppern. Verpflichtend ist der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht, denn die Flüchtlinge haben einen vollen Stundenplan. Wer das Schnupperstudium nutzt, bestimmt sein Pensum selbst. „Credit Points gibt es dafür zwar nicht“, so Hackmann. „Aber wenn sie einzelne Begriffe schon gehört haben, wird es beim zweiten Mal auf jeden Fall leichter sein.“

Mathematik spielt zum Beispiel an der Westfälischen Hochschule in allen Fächern eine große Rolle, in der Bionik ebenso wie im Maschinenbau. „Als Fachhochschule erwarten wir von Studierenden, dass sie anwendungsorientiert arbeiten und Gelerntes sofort in der Projektarbeit umsetzen“, sagt IO-Leiterin Hackmann. „Das ist anspruchsvoll.“ Deshalb motiviert ihr Team Flüchtlinge auch im Vorstudium dazu, an regulären Veranstaltungen teilzunehmen und in Vorlesungen zumindest hineinzuschnuppern. Verpflichtend ist der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht, denn die Flüchtlinge haben einen vollen Stundenplan. Wer das Schnupperstudium nutzt, bestimmt sein Pensum selbst. „Credit Points gibt es dafür zwar nicht“, so Hackmann. „Aber wenn sie einzelne Begriffe schon gehört haben, wird es beim zweiten Mal auf jeden Fall leichter sein.“

Zielgerichtete Vorbereitung auf ein Fachstudium

Auch an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum nehmen Flüchtlinge schon im Vorstudium an Lehrveranstaltungen der berufsbegleitenden Studiengänge teil. „Sie können auch Prüfungen ablegen“, betont George Susan vom International Office der THGA. „Bestandene Leistungen werden angerechnet.“ Der gebürtige Rumäne, der 2002 als Student nach Deutschland kam, hat das Studienprogramm für Flüchtlinge aufgebaut. In der ersten Jahreshälfte nahmen 26 Flüchtlinge an dem Programm teil, das vom DAAD aus Mitteln des Landesprogramms NRWege ins Studium und in Zusammenarbeit mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie gefördert wird. Im Mittelpunkt steht auch hier die fachliche Vorbereitung auf das Studium. „Sie sollen so wenig Zeit wie möglich verlieren“, erklärt Susan. „Besonders motivierte und fleißige Studierende können direkt ins Regelstudium wechseln, wenn alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind.“

Zielgerichtet werden die Teilnehmer auf ein Fachstudium in den Ingenieurwissenschaften vorbereitet: Parallel zu den angebotenen Sprachkursen laufen nach dem ersten Semester begleitende fachliche Kurse sowie technische Deutschkurse. Integrations- beziehungsweise Orientierungskurse bereiten die Flüchtlinge in praktischen Fragen auf das Studium und das Leben auf dem Campus vor: von Prüfungsterminen oder Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens bis zu den Leihfristen in der Bibliothek oder dem Hochschulsportangebot, das sie bereits in der Vorstudienphase nutzen können. „Wir sprechen persönlich mit den Studienberatern“, erzählt George Susan. „Dann wissen unsere Teilnehmer, wo sie ihre Ansprechpartner finden.“ Die Studienberater spielen bei der Entscheidung für einen weiterführenden Studiengang eine wichtige Rolle: Sie wissen, in welchen Studiengängen besonders viel gerechnet wird. Ein höherer Matheanteil macht es Studierenden, die noch nicht so gut Deutsch sprechen, leichter.

„Flüchtlinge wollen nicht unter sich bleiben“

Das Interesse an dem studienvorbereitenden Programm der THGA ist groß. Mehr als 180 Flüchtlinge bewarben sich 2017, rund 80 von ihnen haben zum Wintersemester 2017/18 begonnen. Von Anfang an werden sie in die berufsbegleitenden Studiengänge eingeschrieben – mit dem Ziel, alle Voraussetzungen für ein reguläres Studium zu erfüllen. Damit gelten sie als Studierende, mit allen Vorteilen. „Mit dem Jobcenter haben wir eine Lösung gefunden, sodass die Studierenden finanziell weiter über die Arbeitsagentur unterstützt werden können“, so Susan. Aus seiner Sicht ist das Studienpaket an der THGA einzigartig, auch im Hinblick auf den Austausch mit anderen Studierenden. In Vorbereitungskursen zu den technischen Grundlagen in den Fächern Mathematik, Physik und Elektrotechnik lernen sie zusammen mit allen Teilnehmern aus den Fächergruppen. „Flüchtlinge, die an unsere Hochschule kommen, wollen nicht unter sich bleiben“, betont der Projektverantwortliche George Susan. „Sie wollen andere Kommilitonen kennenlernen, sie wollen Deutsch hören und Gelegenheit haben, sich auch auf fachlicher Ebene auszutauschen.“

Text: Gunda Achterhold