Netzwerke: Gemeinsam Strategien entwickeln

Zwischen den Universitäten Bielefeld und Paderborn liegen etwa 60 Kilometer. Doch wenn es um organisatorische Fragen bei der Integration von Flüchtlingen ins Studium geht, sind die Wege zwischen den Hochschulen kurz. Die beiden Universitäten haben sich mit der Fachhochschule (FH) Bielefeld und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL) in Lemgo zu einem Netzwerk zusammengeschlossen.

Im Rahmen des 2016 gegründeten Vereins Campus OWL arbeiten die staatlichen Hochschulen im engen Austausch miteinander, auch bei der Umsetzung des Landesprogramms NRWege ins Studium. „In der Beratung von Flüchtlingen, die sich für die Sprachkurse bewerben, sind wir alle mit ähnlichen Fragestellungen konfrontiert“, berichtet Sandra Schoeß, Koordinatorin für Geflüchtete an der Fachhochschule Bielefeld. „Woran orientieren wir uns in den Auswahlverfahren, wie schreiben wir die Teilnehmer ein, wer trägt die Kosten für das Semesterticket? Das sind Themen, die bei der Organisation der Vorstudiengänge für Flüchtlinge immer wieder eine Rolle spielen.“ Der Austausch in der Gruppe helfe weiter. „Es muss ja nicht jeder das Rad neu erfinden.“


Einmal im Quartal treffen sich die Koordinatorinnen und Koordinatoren aus den International Offices der Partnerhochschulen in ihrer Arbeitsgruppe. „Jeder arbeitet autonom und hat sein Thema“, erklärt Daniela Stender von der Universität Bielefeld. Die FH Bielefeld steht eher für die technischen Fächer, die Universität Paderborn ist in Informatik und Maschinenbau sehr nachgefragt. Die Hochschule OWL verbindet an vier Standorten technische mit wirtschaftlichen und kreativen Fächern, die Universität Bielefeld wiederum ist eine gute Adresse für Sprach- und Sozialwissenschaftler. Das dortige Sprachlernzentrum PunktUm stellt Lehrkräfte für die Sprachkurse an den beiden Hochschulen in Bielefeld. „Wir ergänzen uns optimal“, betont Stender. „Bei den Auswahlverfahren versuchen wir Studienwünsche zu berücksichtigen und verweisen jene, die anschließend gerne Architektur oder Ingenieurwesen studieren wollen, an unsere Kooperationspartner.“ Viele Kursteilnehmer sprechen inzwischen schon gut Deutsch und besuchen als Gasthörer Vorlesungen. Das erleichtert ihnen die Integration.

Auch externe Akteure werden von Campus OWL eingebunden. Noch offene Fragen zu Leistungsbezügen oder zum Status der als Sprachstudierende eingeschriebenen Flüchtlinge lassen sich bei einem regionalen Multiplikatoren-Austausch mit Vertretern von Jobcentern, Ausländerbehörden und Migrationsdiensten im Gespräch klären. Initiativen von Bildungsträgern oder Unternehmen wenden sich inzwischen auch an die Hochschulen, weil sie Synergien nutzen möchten. Benjamin Hans nimmt jede Gelegenheit wahr, um die Hochschulangebote für Flüchtlinge in der Region bekannt zu machen. Seit September koordiniert er am Standort Lemgo die Aktivitäten für Flüchtlinge, seine Stelle wird aus Mitteln des Landesprogramms NRWege finanziert. „Wissen zu teilen und gemeinsam Strategien zu entwickeln ist wichtig, auch weil sich gesetzliche Rahmenbedingungen ständig ändern und die Programme immer wieder daran angepasst werden müssen“, betont er. Auch außerhalb der Treffen sei es leicht zu unterschiedlichsten Fragen per Mail Unterstützung zu bekommen. „Ich halte es für eine Riesenchance, dass über NRWege Stellen für Koordinatoren wie mich geschaffen werden, die aktiv Netzwerkarbeit leisten können“, sagt er. „So wird unsere Arbeit auch nach außen sichtbar.“

Ein großes Plus für das Netzwerk ist das Internationale Studienkolleg an der Universität Paderborn. In den vergangenen Jahren rekrutierte es vor allem Studierende aus China, die in Vorbereitungskursen eine Zugangsberechtigung für ein Studium in Deutschland erwarben. Über das vom DAAD finanzierte Projekt „Campus OWL Studienkolleg“ bietet es auch Flüchtlingen, deren Schulabschluss nicht direkt für die Aufnahme eines Studiums reicht, die Teilnahme an studienqualifizierenden Kursen. „Hier greifen verschiedene Förderprogramme ideal ineinander“, betont Martina Schrade, die das Förderprogramm NRWege an der Universität Paderborn koordiniert. Auch Flüchtlingen ohne Studienberechtigung eine Perspektive bieten zu können, empfinden die Beteiligten an allen Hochschulen als Entlastung. „Leider müssen wir Bewerbern oft sagen, dass ihre Schulabschlüsse nicht zum Studium an deutschen Hochschulen berechtigen und wir sie deshalb nicht aufnehmen können“, bedauert Schrade. „Oft sind sie sehr enttäuscht und können es gar nicht verstehen.“


Schwierige Situationen kommen in der Beratung häufig vor, nicht immer wird eine Absage einfach hingenommen. Auch auf dieser Ebene hilft der Austausch im Netzwerk. Untereinander werden Erfahrungen geteilt. „Es tut gut zu erleben, dass es allen ähnlich geht“, sagt Sandra Schoeß. Die Bielefelder Hochschulen organisierten für das Hochschulnetzwerk eine Schulung: In Rollenspielen übten sie, selbst in schwierigen Beratungssituationen Distanz zu wahren. „Auch für uns ist das alles noch sehr neu, wir erarbeiten uns die Routine erst“, betont Daniela Stender. „Da ist es gut, wenn man kein Einzelkämpfer ist, sondern Teil einer Gruppe.“

Text: Gunda Achterhold